„Arnold Schönbergs Musik in Ungarn”, Musikblätter des Anbruch, II/20 (1920, 2. Dezember-Heft): 647–648.
Gyűjteményes kiadás: BÖI, 723–724.; Essays, 467–468.; DocB/5, 51–54. (az autográf fogalmazvány kiadása)
Forrás: ÖNB
ARNOLD SCHÖNBERGS MUSIK IN UNGARN
Von Béla Bartók. Budapest
Einer meiner Schüler brachte mir im Jahre 1912 aus Wien eine Kopie der damals noch nicht erschienenen drei Klavierstücke (op. 11) Schönbergs; es war die erste Schönbergsche Musik, die ich kennen lernte. Es ist wohl anzunehmen, daß in Budapest bis zu jener Zeit – soweit ich mich wohl erinnere – kaum etwas von
Schönberg bekannt war, ja selbst sein Name war den meisten Musikern fremd.
Seit jenem Jahr indessen fanden sich einzelne junge Musiker – meistens kaum der Schule entwachsene – die sich mit großem Eifer auf das Studium der Schönbergschen Werke warfen. Es ist begreiflich, daß die neuen technischen und Ausdrucksmöglichkeiten, die sich in Schönbergs Werken infolge der Aufhebung des Tonalitätsprinzipes offenbarten, auf einige unserer jungen, ja selbst reiferen Komponisten,
die bereits ähnlichen Zielen zustrebten, einen mehr oder minder großen Einfluß ausübten. Das Wort „Einfluß” wende ich hier im besten Sinne des Wortes an: es soll darunter keine knechtische Nachahmung verstanden werden; ich meine damit einen ähnlichen Vorgang, der sich im Schaffen Strawinskys (etwa seit 1913) bemerkbar macht (namentlich in „Rossignol”): Durch den Einfluß Schönbergs büßte
des ersteren Persönlichkeit durchaus nichts ein, im Gegenteil, sie entfaltete sich dadurch sozusagen noch unbeschränkter; die durch Schönberg angedeutete Richtung führte ihn in einer ähnlichen Richtung, jedoch auf anderem Pfade weiter.
Im Gegensatz zu dem großen Interesse unserer jungen Musiker für Schönbergs Schaffen blieben die Werke Schönbergs unserem Publikum bis zum heutigen Tage verschlossen. Zu unserer Schande müssen wir hier feststellen, daß in Budapest noch kein einziges Werk von Schönberg aufgeführt wurde.
Wir wollen hier nur zwei erfolglos gebliebene bescheidene Versuche anführen : Im Jahre 1912 wurde von jungen Musikern ein Verein mit fortschrittlicher Tendenz gegründet, der U. M. Z. E. Im ersten (und letzten) Lebensjahre desselben sollte in einem der vom Vereine veranstalteten Konzerte Op. 11 durch Busoni aufgeführt werden, in einem folgendem das Streichquartett mit einer Singstimme. Ersteres
scheiterte an der aus unbekannten Gründen erfolgten plötzlichen Absage Busonis,
das zweite an finanziellen Gründen.
Man kann sich leicht vorstellen, daß, wenn Werke, die bescheidene Mittel erfordern, nicht aufgeführt werden konnten, an Aufführungen der Orchesterwerke nicht einmal gedacht werden konnte. Erst in den letzten Jahren konnte an dem Opernhaus – infolge der Tätigkeit des Kapellmeisters Egisto Tango – ein bedeutender Aufschwung wahrgenommen werden; es wurde die Aufführung von Strawinskys ,,Le Sacre du Printemps” und Debussys „Pelléas” geplant, so daß man mit der Zeit die Aufführung eines Bühnenwerkes von Schönberg erhoffen konnte. Ausgenommen eine wenig geglückte Einreihung des zweiten Klavierstückes aus op. 11 in das Programm des durch die Zeitschrift „Ma” veranstalteten Vortragsabendes im Dezember 1917.
So war es in der Vergangenheit; und was für Aussichten bieten sich uns in der Zukunft dar? Eine Besserung können wir kaum erhoffen. Die Möglichkeit einer Aufführung von Kammermusikwerken, Liedern ist wohl nicht zu verneinen, die weit wichtigeren Orchester-Aufführungen sind jedoch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Das Organisieren einer lebensfähigen Konzert-Orchestervereinigung – der Wunsch eines jeden unserer ernsteren Musiker – wurde in den Jahren des finanziellen Wohlstandes von maßgebenden Kreisen beständig vereitelt, in unserer jetzigen Lage ist die Ausführung dieses Planes eine Unmöglichkeit. Dem Orchester unseres National-Opernhauses werden zu jedem der zehn philharmonischen Konzerte je vier Proben gewährt: selbst weit weniger komplizierte neuere Werke können bei einer so knapp bemessenen Zeit nicht aufgeführt werden. Das Opernhaus selbst
hat seit September 1919 keinen einer schwierigeren Aufgabe gewachsenen Dirigenten.
Man kann sich vorstellen, wie sehr es jedem unserer Musiker nahe geht, darauf verzichten zu müssen, Schönbergs Orchesterwerke nicht nur zu lesen, sondern auch vom Hören aus kennen zu lernen.