“Die Melodien der madjarischen Soldatenlieder”, Historisches Konzert am 12. Jänner 1918… veranstaltet von der Musikhistorischen Zentrale des k. u. k. Kriegsministeriums…, künstler. Leitung: Dr. Bernhard Paumgartner (program booklet, Universal Edition A. G., Wien), 36–42.
Collected edition: BÖI, 77–82; Essays, 50–57; BBI/3, 138–147.
Source: BBA
PROGRAMM
Kaiser Karl-Fanfare.
Komponiert von Dr. Bernhard Paumgartner . . Die Bläservereinigung der k. k. Hofoper
(Prof. A. Stiegler)
Prolog in Versen, verfaßt von Dr. Mirko jelusich, gesprochen von Frau Lotte Witt
- Geistliches Feldlied zur Morgenstund: »Weil der Tag
nun fanget an« (1756)……………………………………………………’ - Landsknechtlieder: ….
Manner-
Gott genad dem großmechtigen Kayser frumme Maximilianus (1519) ( gesangverein Landsknechtmarsch um 1509 ………………………………………………………..Í - Der Grave von Serin (Graf Nikolaus Zrinyi), 1566 . . . J
- Kádár István, ungarisches historisches Volkslied aus Dr. Ferencz von dem XVII. Jahrhundert. Alte ungarische Volksweisen. . . J Deutschm-Orch.
- Prinz Eugen-Lieder: i Marie Jeritza und
Eugen vor Lille (1706)………..?…………………………………………………….> Hans Duhan
Eugen vor Belgrad (1717)……………………………………………………………j Männergesangv. - Militärische Märsche aus der Zeit Maria Theresias…. Deutschm.-Orch.
PAUSE - Siegeslied beim Übergang Erzherzog Karls über den Lech (1799)………………………………………………………………………
- Wer will mit nach Italien ziehn, Radetzky kommandiert
(1848-1849)…………………………………………………………………..
Von der Jugend………………………………………………………………. - Ungarische Soldatenlieder;
Töltik a nagy erdő utját. . ., Soldatenlos…………………………………..
Eddig való dolgom a tavaszi szántás . . ., Abschied des Soldaten
Olvad a hó, csárdás . . ., Frühlingslied des Soldaten………………..
Keresik a, nem lelik . . ., Doberdolied…………………………………………
Nézd a huszárt . . ., Husarenlied ………………………………………………
Das Lied von Lublin…………………………………………………………………
Hüter der Liebsten…………………………………………………………………….
Auszug nach Rußland……………………………………………………………….
Bitte ………………………………………………………………………………………….
Aufforderung…………………………………………………………………………….. - Österreichische Soldatenlieder neuerer Zeit:
Mädchenklage……………………………………………………………………………….1
Es steht ein Birnbaum……………………………………………………………………J.
Es reiten Ulanen………………………………………………………………………..;
Kriegslied ……….. \
Es zog ein Regiment von Ungarn heraus………………………………………./
1 1. Ich habe Lust im weiten Feld………………………………………….{
Männergesangverein
Dr. Ferencz von Székelyhidy, am Klavier Béla Bartók
Männergesangverein
Marie Jeritza, am Klavier Felix Petyrek Männergesangverein
Hans Duhan und Männergesangv.
Die Melodien der madjarischen Soldatenlieder.
Von Béla Bartók.
Die Melodien der madjarischen Soldatenlieder — ebenso wie diejenigen der slowakischen und der rumänischen aus Ungarn — stellen keine besondere Gruppe dar: sie gehören der auf lyrische und epische Texte gesungenen Melodiengruppe an. Um jedem Mißverständnisse vorzubeugen, müssen wir bemerken, daß es sich hier um Soldatenlieder des Volkes im engsten Sinne handelt, d. h. um diejenigen, welche im Kreise des BauernStandes allgemein gesungen werden. …………… ■ . ,
Ursprünglich scheinen die Melodien der Volksdichtungen je nach der Gelegenheit, bei welcher dieselben gesungen wurden, scharf abgegrenzte Gruppen dargestellt zu haben, deren jede eine ziemlich ausgeprägte eigene Charakteristik hatte. So hatten wir Madjaren. - mehrere Gruppen zeremonieller Lieder (die sogenannten „regös“-Gesänge, gesungen in der Zeitperiode zwischen Weihnachten und Neujahr; die Hochzeitslieder; Totenklagen; Erntelieder usw.), 2. die Gruppe der Tanzmelodien und 3. die der eigentlichen „Lieder“, auf lyrische oder epische Texte und mit keiner Zeremonie verbunden, ohne besondere Gelegenheit gesungen.
Im 19. Jahrhundert, besonders in der zweiten Hälfte desselben, entwickelte sich allmählich bei uns für lyrische und epische Texte ein neuer, vom alten durchaus abweichender Stil, welcher nach und nach sowohl die alten Melodien der lyrischen und epischen Texte als auch die allen Tanzmelodien vollständig verdrängt hat. Mit dieser Umwandlung verschwanden samt den Zeremonien auch die zeremoniellen Lieder. Somit stellen die Melodien der neueren madjarischen Volksmusik eigentlich nur eine einzige Gruppe dar: die Gruppe der Melodien für lyrische oder epische Texte; zum Tanze werden ebendieselben aufgespielt.
Melodien alten Stils wurden noch am Anfänge dieses Jahrhunderts in ziemlich großer Zahl aus dem Munde älterer Bauersleute von Sammlern aufgezeichnet. Heutzutage singt die Jugend ausschließlich Melodien neuen Stils.
Strophengliederung und Rhythmus. Die weitgrößte Zahl dieser Melodien hal vier Melodiezeilen, entsprechend den vierzeiligen, isometrischen Textstrophen. Die Silbenzahl beträgt bei den meisten 8 Silben; Zeilen von 12 oder 6 Silben sind in geringerer Zahl. Jede Zeile kann auf folgendes Rhythmusgebilde zurückgeführt werden. - (8-silbig)
Die Art der Ausführung ist stets parlando, poco rubato. Die einzelnen Notenwerte werden oft um rationelle oder noch häufiger um irrationelle Werte verkürzt oder verlängert; eine manchmal sehr bedeutende Verlängerung findet sehr häufig auf der Anfangssilbe, fast immer auf der Schlußsilbe der Zeilen statt. Bei gewissen Melodietönen sind die Verlängerungen, besonders diejenigen um rationelle Werte, ständig, gehören sozusagen wesentlich zur Melodie, und sind als ein erstarrtes rubato aufzufassen. In anderen Fällen sind sie unbeständig, haben den Charakter der Improvisation. Ziemlich häufig sind Mel ismen, die manchmal zu einer sehr reichen Verzierung der Melodie führen. Sie können ebenfalls ständig oder improvisiert sein.
Jede Zeile teilt sich dem Rhythmus der Textzeile gemäß in je zwei Teile, zumeist von gleicher Silbenzahl, die mit Taktstrichen wohl getrennt werden können, doch wäre eine Taktbezeichnung, die in manchen Melodien von Takt zu Takt wechseln würde, nicht sehr zweckmäßig und würde auch den parlando -Vortrag nicht gut wiederspiegeln.
Tonleiter und Ambitus (Tonumfang). Zur leichteren Vergleichung der Melodien ist es angebracht, dieselben auf einen gemeinsamen t o n u s f i n a 1 i s zu bringen — am zweck-
Die Melodien bewegen sich auf verschiedenen diatonischen Tonleitern, die Mehrzahl derselben auf der sogenannten aeolischen und dorischen; seltener findet man die phrygische und mixolydische; die Dur- und M o 11 – Tonleiter fehlt fast gänzlich. Die besonders altertümlichen Melodien der Szekler (in Siebenbürgen) haben häufig folgende pentatonische Tonleiter:
als Schlußton. — In manchen Melodien findet man in ein bis zwei Zeilen die eine der oben angegebenen Leitern, in den übrigen eine andere Leiter. Namentlich die aeolische und dorische Leiter wechseln in ein und derselben Melodie (s. Notenbeispiel 1, 4). Chromatische Töne fehlen gänzlich.
Am häufigsten findet man einen Tonumfang von
I. Melodien alten Stils. - (12-silbig)
mäßigsten auf
die ältesten Typen steigen häufig nur bis
Form. Jede Melodienstrophe zerfällt — wie schon oben gesagt — in je vier Teile: die Melodiezeilen, ist also als ein vierteiliger Satz aufzufassen, dessen Teile inhaltlich zumeist verschieden sind. Gewisse Schablonen, die den formellen Aufbau der Melodien repräsentieren, ergeben sich bei der Untersuchung der Kadenztöne der einzelnen Melodiezeilen. Als Ergebnis findet man, daß der Kadenzton der zweiten Melodiezeile am häufigsten
; der der dritten Melodiezeile J
ist; der der ersten Melodiezeile
und
, seltener
In den hier folgenden vier Notenbeispielen hat Nr. 1 Melodiezeilen von je 12 Silben, Nr. 2 und 3 von je 8 Silb,ne Nr. 4 von je 6 Silben.l)
Parlando (J^ = ca 126)
Allg. bekannt
l) über einer Note bedeutet eine kaum merkliche Kürzung, O (kleine Fermate) eine kaum merkliche Verlängerung des Notenwertes. // bezeichnet die 3 Cäsuren der Melodie. Die Werte der mit kleinen Notenköpfen wiedergegebenen und weniger nachdrücklich gesungenen Verzierungstöne sind von dem Werte der zu ihnen gehörigen und mit großem Notenkopf notierten Haupttöne abzuziehen. Die Wiedergabe der Worte haben wir unterlassen; hiebei sei bemerkt, daß auf jede Note, resp. auf jede mit einem Bogen verbundene Notengruppe eine Silbe des Textes entfällt.
II. Melodien neuen Stils.
Sie unterscheiden sich wesentlich von denen alten Stils, erstens durch den festen Tanzrhythmus, der ihnen eigen ist, zweitens durch ein formell moderneres Gebilde: die vier Melodiezeilen sind nicht alle verschiedenen Inhaltes, sondern eine oder zwei derselben werden nach gewissen Schablonen wiederholt (siehe weiter unten).
Rhythmus. Die einzelnen Zeilen sind auf folgende zwei Rhythmusgebilde zurück- zuführen:
ln den Melodien neuen Stils erfährt das unter a und b angegebene Schema vielfache Umgestaltungen, in denen, welche innerhalb der letzten 30 bis 40 Jahre entstanden sind, auch vielfache Erweiterungen.
Unter den Umgestaltungen sind als die wichtigsten folgende zu erwähnen: Verdopplung der Notenwerte des ersten und zweiten Taktes:
(die letzten zwei Takte in beiden Fällen auch: d J v”)-
Naturlängenverhältnissen des unterlegten Textes an, wobei folgende Kombinationen von
beide können als eine Verlängerung des unter 2, angeführten Gebildes betrachtet werden.
Als Obergangstypen vom alten zum neuen Stil sind diejenigen Melodien zu erwähnen, die schon dieses Rhythmusbild und festen Tanzrhythmus aufweisen, formell jedoch noch zu denen alten Stils gereiht werden müssen. Z. B.:
Der so entstandene
Rhythmus paßt sich den Positions- oder
entstehen können:
Anpassungstrieb übt seinen Einfluß in seltenen Fällen auch auf den letzten Takt aus, woraus dann entsteht. Übrigens ist es keine unbedingte Gesetznot-
wendigkeit, über lange zu setzen, auf diesem
Gebiete herrscht vielmehr eine gewisse Freiheit.
Von den Erweiterungen sei hier zu allererst die allgemeinste erwähnt: die Verdoppelung des 3. und 4. Taktes von c):
Ferner kann jedes der Viertel oder mehrere derselben mit Ausnahme der letzten zwei Takte in den Schemen a, b, c, d, e, f durch zwei Achtel ersetzt werden. Durch die Erweiterungen entstehen Zeilen von 16 bis sogar 25 Silben. — Melismen fehlen sozusagen gänzlich. Das Tempo ist nicht überall gleich; von Soldaten gesungen entfällt auf jeden Marschschrift je ein Viertel.
Tonleiter und Ambitus.’ Die Mehrzahl der Melodien bewegt sich auf den Tönen der aeolischen und der Dur-Tonleiter. Die dorische und mixolydische Leiter ist auch nicht selten. Die Moll-Tonleiter findet sich nur in vereinzelten Melodien weniger volkstümlichen Charakters vor. Die phrygische Tonleiter fehlt gänzlich. Wechseln zweier Tonleitern in ein und derselben Melodie kommt vor. Chromatische Töne sind selten.
Der Tonumfang übersteigt häufig um mehrere Töne die Oktave; in der Mehrzahl der Melodien ist die untere Grenze:
die obere eine_der folgenden Töne:
Eine Untergruppe
hat den Tonumfang von: als untersten und einen der folgenden Töne:
als obersten Ton.
Form. Für die Form ergeben sich folgende vier Schablonen: - ABBA, 2. AABA, 3. AA5B A, 4. A A5 A5 A
Bei 1. stimmt die erste mit der vierten, die zweite mit der dritten Zeile überein; bei 2. die erste mit der zweiten und vierten; bei 3. ebenso, doch erscheint die zweite Zeile um eine Quinte höher; bei 4. sind alle vier Zeilen gleich, doch sind die zweite und dritte um eine Quinte höher. Es sei bemerkt, daß bei 1. und 4. die dritte Zeile meistens einen von der der zweiten abweichenden Kadenzton hat.
Die Kadenztöne der einzelnen Melodienzeilen ergeben überwiegend folgende Schablone: .
bei 1., 3., 4. haben 1. und 4. Zeile
Töne:
, 2. Zeile - Zeile eine der folgenden sonst wie bei
bei 2. hat die 2. Zeile
den vorhergehenden.
Hier sei noch bemerkt, daß sich die mit B bezeichneten Melodiezeilen sehr oft nicht auf die unter a und b angeführten Rhythmusgebilde zurückführen lassen, sondern, besonders wenn die A Zeile erweitert ist, auf folgenden Doppelschemen basieren:
Tempo di marcia ( J)
Allg. bekannt
Tempo di marcia (J )
Allg. bekannt
Hier folgen drei Notenbeispiele für Melodien neuen Stils:
Tempo di marcia (J) Allg. bekannt